Band: Kele Okereke
Album: Fatherland
VÖ: 06.10.2017
Label: BMG / ADA Warner
Website: www.musicglue.com/kele-okereke
Stillstand war für Kele Okereke noch nie eine Option. Stattdessen sucht er immer wieder neue Wege, seine leuchtenden Songs zu präsentieren. Letztes Jahr erfand er erfolgreich seine Band Bloc Party neu und kehrt nun mit seinem dritten Soloalbum „Fatherland“ zurück. Die adrenalinreiche Elektronik seiner früheren Alben „The Boxer“ und „Trick“ weicht diesmal einer ursprünglicheren, fast schon klassischen Klangpalette: zarter Folk („Streets Ben Talking“), üppiger Soul („Do U Right“) und tiefgründiges Dub-Reaggae-meets-Weimar-Cabaret („You Keep On Whispering“). Von Bloc Partys hektischem Indierock ist weit und breit nichts zu hören.
Keles Texte sind wie gewohnt einfühlsam und persönlich. Sie wirken wie ein Spiegelbild seiner Gedanken, als ihm bewusst wurde, dass er bald Vater werden würde: seine Tochter Savannah wurde im Dezember 2016 geboren.
„Dieses Album wird für Savannah zum einem Dokument über die Beziehung ihrer Väter werden und wer wir waren, bevor sie in unser Leben trat.“, freut sich Kele und balanciert seine Tochter auf den Knien herum, während er im Garten hinter seinem Haus in London sitzt. „Sie wird sehen, dass wir noch nicht die Antwort auf alle Fragen haben, aber es zumindest versuchen.“
„Fatherland“ war ursprünglich als größtenteils akustisches Album vorgesehen. Produziert wurde es von Bloc Party-Bassist Justin Harris in Portland, Oregon. „Er hat ein Studio mitten im Wald auf einem Berg. Ich blieb eine Woche dort und spielte mit den verschiedensten Musikern zusammen. Auf dem Album sind über 20 von ihnen zu hören – die größte Besetzung, mit der ich je gearbeitet habe. Es hat viel Spaß gemacht, obwohl wir unter ziemlichem Druck standen. Wir hatten uns für eine zu kurze Zeit zu viel vorgenommen und improvisierten sehr oft. Manchmal muss man das einfach tun und hoffen, dass das Richtige dabei herauskommt. Und ich glaube, das tat es auch.“
Das Cover zeigt Kele, wie er im Runyon Canyon Park in Los Angeles entspannt. „Im Grünen bin ich am Glücklichsten und ich dachte, dass dieses Glück das Album einrahmen sollte. Sowohl ‚Trick‘ als auch ‚The Boxer‘ sind relativ synthetische, kältere Elektronikalben. Es war mir wichtig, ‚Fatherland‘ visuell anders erscheinen zu lassen, mit etwas, das die Natur repräsentiert.“
Auf dem Album präsentiert Kele noch nie zuvor gehörte Facetten von sich. „Ich hörte viel ‚Either/Or‘ von Elliott Smith, ‚Pink Moon‘ von Nick Drake, ‚Blue‘ von Joni Mitchell und das Al Green Album ‚Still In Love With You‘.“so der Singer/Songwriter und erklärt, dass er immer der Idee widerstanden hatte, seine eigenen Songs nur mit einer Akustikgitarre in der Hand zu singen. „Doch plötzlich fühlte es sich ganz natürlich und meine Visionen komplett an. So sehe ich die Welt und genau das möchte ich sagen. In einer Band ist das schwieriger, weil jeder eine eigene Meinung von etwas hat.“
Die Musiker auf „Fatherland“ stammen hauptsächlich aus der Underground-Musikszene Portlands. Auf dem Album sind auch zwei Duette zu hören: auf „Grounds For Resentments“ (mit Olly Alexander von Years And Years) singen zwei Männer romantisch übereinander. „Ich kann mich nicht erinnern, dass zwei andere schwule Künstler schon einmal etwas Ähnliches getan haben. Elton John und RuPaul vielleicht.“, lächelt Kele und erinnert sich an die 90er-Jahre-Version von „Don’t Go Breaking My Heart“. „Das ist eine der wichtigsten Komponenten des Albums: es beschreibt ehrlich mein Leben und wie ich die Welt sehe. Als Savannah in unser Leben kam, wurde ich vielen Dingen gegenüber offener als früher.“
“Versions Of Us” ist hingegen eine rauchige, fast schon düstere Akustikballade, die er gemeinsam mit Corinne Bailey Rae singt. „Ich traf sie vor vielen Jahren und bin immer mit ihr in Kontakt geblieben.“, erklärt der 35-Jährige. „Als ich an diesem Song arbeitete, dachte ich mir, dass ihre Stimme fantastisch dazu passen würde. Entsprechend glücklich war ich, als sie Ja sagte.“
„Fatherland“ handelt von Keles Beziehung zu seiner Familie. Zu “Road To Ibadan“ wurde er von einer Reise mit seinem Vater inspiriert, als sie seine Großmutter in Nigeria besuchten. „Ich hatte immer eine eher komplizierte Beziehung zu meinem Vater. Deswegen war dieser Trip so wichtig für uns beide, denn wir wollten endlich Gemeinsamkeiten finden.“ Seine Stimme beschreibt die mysteriöse, emotionale und genetische Beziehung zwischen Eltern und Kindern.
„Capers“ fügt dem Album eine verführerische Cale Porter Note hinzu. „Ein sehr skuriler Song, wie ich ihn noch nie zuvor geschrieben habe.“, führt Kele aus. „Letztes Jahr arbeitete ich an einem Musical und tauchte dadurch in die Welt des Theaters ein. Dieser Song ist das Ergebnis davon. Normalerweise schreibe ich keine Musik dieser Art, doch ich realisierte, dass es wichtig ist, den Klang zu verändern um in verschiedenen Stimmlagen zu singen. Das Stück handelt davon, nichts Gutes im Schilde zu führen, was ja wiederum das Fundament der meisten Popmusik ist.“
Dass Kele neue musikalische Wege erforscht, ist auch auf „Fatherland“ zu hören. Auf seinem neuen Album offenbart sich eine neue, tiefere Stimme. „Der Sound von Block Party ist teilweise so hektisch, dass ich meine Stimme wirklich fordern muss, um mithalten zu können. Hier war es mir möglich, mich einfach zurück zu lehnen und mir selbst auf Songs wie „Streets Been Talking“ oder „Savannah“ zuzuhören. Ich konnte plötzlich auf eine Art und Weise summen, wie ich es noch nie zuvor getan habe. Es ist fantastisch, mit neuen Techniken experimentieren zu können und zu spüren, dass man immer noch etwas lernen kann.“
„Fatherland“ schließt mit „The New Year Party“ ab. Kele und sein Liebster schlossen an Silvester den Pakt, diesen Abend nie wieder getrennt voneinander zu verbringen. „Ich war zu so vielen Jahreswechseln auf Tour und getrennt von meinem Partner. Aber es ist wichtig, diesen Abend gemeinsam zu verbringen.“, erzählt er. „Egal, wie sich unser Leben entwickelt, man muss sich Zeit füreinander nehmen um seine Liebe zu erhalten. Und das ist vielleicht die wichtigste und positivste Botschaft meiner Platte. Romantisch und praktisch zugleich. Davon handelt auch der erste Song ‚The Streets Have Been Talking‘. Er sagt, dass wir nicht perfekt sind, streiten und es auch schlechte Zeiten gibt. Doch es bringt nichts, einfach das Handtuch zu werfen.“
Die liebenswürdige und intime Atmosphäre findet ihren Höhepunkt im Song „Savannah“, einem Schlaflied für Keles Baby. Darauf beschwört er sie, „ihr Herz zu öffnen und freundlich zu sein“. Der Song ist eine mehr als würdige Zugabe im Katalog der Musiker, die über ihre Kinder singen, von Stevie Wonders „Isn’t She Lovely“ zu Joni Mitchells „Little Green“.
„Songs zu schreiben und meine Worte und Gefühle ausdrücken zu können, ist lebensnotwendig für mich.“, fasst er zusammen. Ich erkenne, dass ich in einen neuen Lebensabschnitt trete und die beste Art und Weise das zu tun ist es mit einem Song zu feiern. So habe ich das schon immer gemacht. Für mich dienen diese Alben als Dokumentation“.
„Fatherland“ ist das bislang erwachsenste und musikalisch abenteuerlichste Album in seiner sich stets weiter entwickelnden Karriere.