Jesse Sykes on 'Tall Grass':
Jeden Morgen auf dem Weg ins Studio sprachen Dave und ich, wenn wir nicht gerade über Buster Keaton oder ein cooles Wahrzeichen von LA sprachen, an dem wir vorbeikamen, über Gartenarbeit, Ökologie und das Land selbst - in diesem Fall über die gespenstische Seltsamkeit von LA als ein von Menschenhand geschaffenes Konstrukt, das auf ehemaligen Feuchtgebieten errichtet wurde und nun mit seinen ikonischen, nicht einheimischen Palmen geschmückt ist, der lebenden Verkörperung von Hollywood und der kuratierten Traumlandschaft, zu der es wurde.
Bei einer Gelegenheit, als wir die krummen Straßen eines LA-Viertels entlang fuhren, von denen Dave erklärte, dass sie gekrümmt seien, weil sie neben längst verschwundenen Bachbetten gebaut wurden, sagte er: "Lass uns einen Song mit dem Titel Tall Grass" schreiben.
Was vor vier Jahren als musikalische Wunschfantasie begann, ist nun zu einer kraftvollen und aufregenden klanglichen Realität geworden: The Third Mind
"TALL GRASS" Musikvideo
Dieselbe außergewöhnliche Besetzung von gleichgesinnten Musikern, die das erste Third Mind-Album aufgenommen hat, kehrt für ein neues, The Third Mind 2, zurück. Seit der Gründung durch den mit einem Grammy ausgezeichneten Singer-Songwriter/Gitarristen Dave Alvin (E-Gitarre) und Victor Krummenacher (Bass) (Camper Van Beethoven, Cracker, Monks of Doom, Eyelids) haben sie sich den Schlagzeuger Michael Jerome geholt, der für seine langjährige Zusammenarbeit mit Richard Thompson bekannt ist, sowie für Aufnahmen und Tourneen mit Künstlern wie John Cale, Me'shell Ndegeocello, The Blind Boys of Alabama, Charlie Musselwhite und Better Than Ezra bekannt ist, und den Gitarristen David Immerglück, der für seine lange Karriere als Mitglied von Counting Crows, The Ophelias, Monks of Doom und Camper Van Beethoven sowie eine bemerkenswerte Zeit mit John Hiatt bekannt ist. Jesse Sykes, die mit ihrer in Seattle ansässigen Gruppe Jesse Sykes And The Sweet Hereafter bereits mehrere von der Kritik gefeierte Alben veröffentlicht hat, ist als Sängerin und Akustikgitarristin in dieser herausragenden Besetzung zu hören.
Mit der Veröffentlichung dieses zweiten Albums, The Third Mind 2, haben sich The Third Mind zu einem kohärenten und eklektischen Ensemble entwickelt, wobei sie ihr ursprüngliches Konzept der Aufnahme spontaner Gruppenimprovisationen beibehalten haben. Viele Jahre lang hatten Krummenacher und Alvin darüber nachgedacht, ein Album außerhalb ihrer Komfortzone zu machen und dabei die von Miles Davis auf Alben wie Bitches Brew und Jack Johnson eingeführten Freiform-Studiotechniken anzuwenden. Das bedeutete, keine Proben und keine vorgefertigten Arrangements, sondern sich einfach auf eine Tonart einigen, die Bandmaschine einschalten und sehen, was passiert. Es überrascht nicht, dass die meisten traditionellen Rock-'n'-Roll-Musiker mit diesem Ansatz wenig Erfahrung hatten und sich kaum dafür interessierten. Wir hatten eine verrückte Idee und suchten nach Musikern, die sie vielleicht nicht für so verrückt hielten", so Alvin. Schließlich fanden sie eine Gruppe von abenteuerlustigen Musikern, die sich ihnen anschließen wollten, und diese einzigartige Gruppe nahm ihr Debüt The Third Mind (Yep Roc Records) in einer dreitägigen Marathonsession auf.
Das Repertoire auf The Third Mind 2 besteht wie die Songs auf ihrem Debüt aus einer Sammlung von Liedern, die ursprünglich in den 1960er Jahren geschrieben wurden, mit der bemerkenswerten Ausnahme von "Tall Grass", das von Sykes und Alvin speziell für diese Platte geschrieben wurde.
Die Band konzentrierte sich auf die Songs aus den 60er Jahren, weil sie der Meinung war, dass das Material viele der Einflüsse der Bandmitglieder sowie die freilaufende Herangehensweise der Band an das Musikmachen einfängt. Vom Eröffnungsstück "Groovin' Is Easy" (das ursprünglich von Michael Bloomfields Electric Flag aufgenommen wurde) bis zum letzten Song, Fred Neils bittersüßem "A Little Bit Of Rain", waren diese Songs in der damaligen Underground-, Free-Form-Folk/Blues/Rock-Szene zwar bekannt, aber keine Top-Forty-Hits. Das einzige Stück, das ein großer Hit war, ist "Sally Go Round The Roses", das ursprünglich 1963 von den Jaynets aufgenommen wurde und Platz 2 in den Billboard Top 100 erreichte. Wie bei den anderen Songs auf The Third Mind 2 wurde auch "Sally Go Round The Roses" von der ursprünglichen Pop/R+B-Version in eine sich drehende, bluesige, jenseitige Klangwelt verwandelt, wie sie nur The Third Mind erschaffen konnten.
Der Sound von The Third Mind spiegelt die unterschiedlichen musikalischen Werdegänge der Bandmitglieder wider: mal ist es eine gefühlvoll-düstere Folk/Rock-Combo, mal eine abstrakte Bluesband, mal eine stimmungsvolle Psychedelic-Garage-Band, mal ein Avantgarde-Jazz-Ensemble und mal ein frecher, alternativer Rock'n'Roll-Unfugmacher.
The Third Mind 2 wird am 27.Oktober via Yep Roc Records veröffentlicht.
Tracklist:
Groovin' Is Easy
Why Not Your Baby
In My Own Dream
Sally Go Round The Roses
A Little Bit Of Rain
THE THIRD MIND - Das Gespräch mit Dave Alvin und Victor Krummenacher zum ersten Album
Ich hatte eine verrückte Idee und war auf der Suche nach Musikern, die sie vielleicht gar nicht so verrückt fanden.
Vor vielen Jahren hatte ich John Szweds ausgezeichnete Biografie über Miles Davis, "So What", gelesen, und war fasziniert von seinen gründlichen Beschreibungen, wie Mr. Davis und sein Produzent Teo Macero, einige seiner klassischen elektrischen Alben wie Bitches Brew und Jack Johnson produzierten. Im Grunde genommen versammelte Miles großartige Musiker in einem Studio, wählte eine Tonart und einen Groove und nahm dann alles über mehrere Tage hinweg live auf. Dann bearbeiteten er und Mr. Macero diese Improvisationen und formten sie zu Kompositionen. Da ich noch nie auf diese Weise aufgenommen hatte, hatte ich die Fantasie, es eines Tages zu versuchen, wenn das Schicksal es zulassen würde.
Eines Abends nach einem Auftritt in San Francisco, mehr als ein Jahrzehnt später, erwähnte ich diese Fantasie gegenüber Victor Krummenacher. Ich kannte den stets musikalisch abenteuerlustigen Mr.Krummenacher schon seit ein paar Jahrzehnten (seit er ein junger Bassist bei Camper Van Beethoven war) und hoffte, er würde es verstehen.
- Dave Alvin
Es war eigentlich ein Unfall.
Aber irgendwann vor langer Zeit, irgendwo in San Francisco, haben wir einen Scherz gemacht (zumindest dachte ich, es wäre einer). Dave sagte, er hätte ein Angebot für einen Dauerauftritt in einem Club dort bekommen, etwa einen Montag im Monat. Und wenn ich Lust hätte, würde er mich anrufen und wir würden ein Set zusammenstellen.
...Und wir mussten Grateful Dead's "Truckin'" spielen
....Dave hatte Garcias "Loser" gecovert, und ich hatte es ein paar Jahre lang mit Cracker gespielt, also war ich mir nicht sicher, ob es ein Scherz war. Musiker sind sowieso Pokerspieler und Geschichtenerzähler, und wir sind alle, im besten Fall, unzuverlässige Erzähler.
Ich verließ Dave an diesem Abend mit dem Gedanken: "Ja, ich könnte etwas Grateful Dead mit Alvin spielen..."
Aber ich war wahrscheinlich betrunken, vielleicht auch high, vielleicht auch beides... Ich glaube, es war in einer etwas seltsamen Zeit in meinem Lebens, als sich dieses Gespräch ereignete, und in der Unschärfe des Abends war ich leicht verwirrt, ob es überhaupt wirklich passiert ist.
Im Jahr 2018 landete ich dann wieder in Südkalifornien. Ich traf Dave irgendwo in L.A. und er fragte mich, was ich vorhabe. Ich sagte, ich würde zu einem freien Improvisationskonzert gehen, und Dave sagte: "Ja, wir sollten uns mal treffen und improvisieren."
Ich glaube, dieser Teil stimmt, aber vielleicht auch nicht?
Also dachte ich: OK, scheiß drauf. Ich rufe die besten Musiker an, die ich für diese Art von Dingen kenne. Ich rufe Immy (David Immergluck) an, mit dem ich schon seit 30 Jahren in Bands spiele.
Der Typ, der John Hiatt mit einem Delay-Pedal erschreckt hat. Der Typ, der versucht, Michael Karoli-Licks in Counting Crows Gigs einzuschmuggeln. Der Typ, mit dem ich einen 15-minütigen One-Note-Song bei Monks of Doom aufgenommen habe. Der Typ, der versucht hat mir die Grateful Dead live '77 Tour seit 1986 zu verkaufen...
- Victor Krummenacher
Wie sich herausstellte, verstand Victor nicht nur, sondern schlug auch schnell einen Weg vor, für ein paar Tage im Studio zu bezahlen, aber dann empfahl er auch noch das Gitarrengenie David Immergluck als zweiten Gitarristen. Ich kannte David aus seiner langjährigen Zusammenarbeit mit John Hiatt, Cracker und anderen Künstlern, und ich dachte, dass es für mich lehrreich wäre, aber auch riesen Spaß machen würde wenn wir beide zusammen spielen würden.
David und ich kamen aus unterschiedlichen musikalischen Welten und spielen völlig unterschiedliche Gitarrenstile, aber mit David und Victor ein bisschen Krach zu machen klang gut für mich.
- Dave
Und holen wir uns Michael Jerome, der mit John Cale, Richard Thompson und Charlie Musselwhite gearbeitet hat, und mich wie einen Amateur aussehen lässt.
Und Dave sagte: "Hey, lasst uns Jesse Sykes holen. Jesse singt wie Sandy Denny und Grace Slick."
- Victor
Als Victor mich dann informierte, dass der außergewöhnliche Schlagzeuger Michael Jerome, den ich kannte, seit er viele Jahre zuvor in Richard Thompsons Band spielte, an der Teilnahme an diesen Sondierungssitzungen interessiert war, wusste ich, dass, egal was auch immer im Studio passieren würde, der Groove würde grundsolide sein. Wir wollten diesen Sessions ein deutliches Gesangselement hinzufügen, so wandten wir uns an die einzigartige und kluge Singer/SongwriterIn
Jesse Sykes. Sie stimmte freundlich und begeistert zu dem Projekt beizutreten, obwohl wir nicht genau wussten, was passieren würde.
- Dave
Vielleicht war das alles ein Fiebertraum, aber das war es nicht... es war real. Wir betraten das Studio, und ich (schwitzend auf der Stirn und in der Hoffnung, dass es klappen würde) sagte, lasst uns anfangen mit Paul Butterfield Blues Band's "East West" (weil Mike Bloomfield ein leicht zu treffendes Ziel ist... ja, klar haha).....
- Victor
Wir wussten, dass wir bei jedem Track irgendwie von Punkt A zu Punkt Z kommen mussten, aber wir mussten uns unseren eigenen Weg bahnen, um dorthin zu gelangen. Mit der Miles Davis-Technik gab es keine Proben oder geschriebene musikalische Arrangements. Wir entscheiden uns einfach für eine Tonart, beginnen mit den Aufnahmen und sehen, was passiert.
Während der Sessions saßen wir einfach im Kreis und schauten und hörten uns gegenseitig genau zu während wir alles live vor Ort erfanden. Wir wählten Songs/Kompositionen, die hauptsächlich aus der Underground-Szene der 1960er Jahre, als Hommage an die aufgeschlossene Musik dieser Zeit sowie an die furchtlosen Musiker wie Alice Coltrane, Michael Bloomfield, Fred Neil und Roky Erickson, die den Sound dieser Ära mitgestaltet haben.
- Dave
Und es hat funktioniert. Alice Coltrane, Fred Neil, Bonnie Dobsons "Morning Dew" (mit einem Arrangement von Grateful Dead), "East/West", der verstorbene, großartige Roky Erickson und ein Lied, das wir gerade an einem Nachmittag im Studio geschrieben haben. Es ist alte Musik. Mag sein. Vielleicht sind wir auch ein bisschen älter. Aber die Musik klingt nicht alt. Ich glaube, ein oder zwei waren sogar ein wenig high.
Und es ist gut! Es ist wirklich gut. Vielleicht war ich high, als die Idee aufkam...
vielleicht ... aber ich bin froh, dass ich es durchgezogen habe.
- Victor
Das ist also die Verwirklichung meiner Traumaufnahme.
Ist es kommerziell? Wird es im Radio gespielt? Will oder braucht die Welt jetzt ein Album wie dieses?
Ich weiß es nicht, aber hier ist es trotzdem.
- Dave