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Lisa Who

Band:  Lisa Who

Album:  Sehnsucht

VÖ:  20.01.2017

Label:  Arising Empire

Website: www.lisawho.de

Lisa wer? Lisa Who!

Wann hast du dich das letzte Mal nur auf eine einzige Sache konzentriert? Nur hingehört und sonst nichts getan? Die Augen geschlossen und gelauscht? Weißt Du’s noch? Wenn Du jetzt mit Ja antwortest, dann brauchen wir Dir ja nichts erklären. Überspring dann gern den nächsten Absatz und leg los. Mit dem neuen Album von Lisa Who: “Sehnsucht”.

Solltest Du auf diese Frage mit Nein antworten, dann fangen wir nochmal ganz kurz von vorne an. Denn wie das geht, kann Dir Lisa Who am besten erklären. Mit ihrem neuen Album hat die Berlinerin nur eins gemacht, nämlich Musik. Die, die ihrem Herzen am nächsten lag.

Musik ist für Lisa Who das Pendel, das immer wieder ausschlägt, das in ihr schwingt und sie treibt, das sie zum Mittelpunkt zurück bringt, wenn die Welt zu schnell und zu laut ist. Und den ersten Atemzug machte ihr Album “Sehnsucht” in einer dieser Nächte, an die man sich später mit einem Kopfschütteln und einem Lachen erinnert. In einer dieser Nächte, in denen die Uhrzeiten verschwimmen, weil das, was man gerade tut, am wichtigsten ist. Mit ihrem Produzenten Sebastian Madsen und der gleichnamigen Band entstand in dieser Nacht der Song “Sehnsucht”, der Ursprung des Albums. Lisa Who wusste: ein Lied ist nicht genug.

Es folgte der Song “Ich dreh mich nicht im Kreis“. Ein trockenes Schlagzeug wird von hallenden Gitarren begleitet, eine schleppende Strophe klatscht sich ab mit einem Midtempo-Refrain. Der Song ist eine Aufforderung, ein Lied gegen den ungesunden Ehrgeiz, gegen den Plan, gegen die volle Kontrolle. Beinahe nahtlos schließt “Keine Rettung” an, und Lisas Forderungen an die Menschheit verschwimmen miteinander wie ihre sphärischen Sounds. Hand in Hand damit geht auch “Alles ist gut”, das lasziv von einer großen Liebe erzählt – jedoch von der zur Natur. Eine Ebene ist ihr selten genug – das gilt für den Sound von Lisa Who ebenso wie für ihre Texte. Auch “Das Rauschen in mir” entblättert sich nach mehrmaligem Hören immer noch ein bisschen mehr. So wie man die Gesichtszüge eines Menschen erst wirklich erkennt, wenn man ihn mal lachen und weinen und kotzen sah. Lisa Who stellt existenzielle Fragen, “Das Rauschen in mir” ist über neun Minuten lang, so etwas braucht Zeit.

Man muss sich einlassen auf Lisa Who. Und darauf, dass nichts so bleibt, wie es auf den ersten Blick scheint. Das Album transformiert sich selbst während des Hörens. Woher du kommst, wo du bist, wohin du gehst, wird Einfluss darauf haben, wie es klingt. “Sehnsucht” trägt über die Unwägbarkeiten, Unsicherheiten und all die Vielleichts der Moderne hinweg, indem es sie umarmt. Sich ihnen widmet. Dieses Album ist gewachsen aus Chet Baker, Billie Holiday, Pink Floyd und Air. Das erklärt auch, warum man Lisa Who nie wird aufstampfen sehen. Eher kriecht sie einem von hinten in den Nacken, erwischt dich heiß und kalt, bis sie irgendwo auf Körpertemperatur ankommt.

“Sehnsucht” ist ein Soloalbum, das trotz aller Referenzen in die Vergangenheit nur heute entstehen konnte, nur in dieser Zeit so gehört werden kann. Der psychedelische Popsound  hat etwas von der verträumten Melancholie einer Lana del Rey und doch merkt man schnell: Das ist etwas ganz eigenes, das ist etwas, dass es so bisher nicht gab.

Lisa Who singt nebenbei in einem Jazzduo und spielt in der Band Madsen. Sie schreibt Songs für andere Musiker, aber das hier, das gehört allein ihr. Und dem Moment. Kommst Du mit? Dann schließ jetzt die Augen. Heb die Zehen kurz an, egal, wo Du gerade bist. Geh über Los. Spürst Du das? Genau so muss es sein.

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