HEEBIE JEEBIES - THE EARLY SONGS OF JOHNNY COPELAND
Das 17. Philipp Fankhauser-Album erscheint am 13.Januar 2023 als LP, CD, MC und Digital.
HIER gibt es das Video zur bereits erschienenen Single HEEBIE JEEBIES.
Von Philipp Fankhauser darf man zu Recht die eine oder andere Überraschung erwarten. Beim letzten Album «Let Life Flow» im Dezember 2019, waren es unter anderem ein Mundartlied von Hanery Amman und eine italienisch gesungene Hommage anden grossen Cantautore Lucio Dalla.
Auf «Heebie Jeebies» stellt er nun dreizehn Songs seines väterlichen Freundes und Mentors, dem Texanischen Sänger und Gitarristen Johnny Copeland vor. Das wäre an sich noch nicht sehr überraschend, denn Copelands Songs waren von je her auf praktisch allen Fankhauser-Alben präsent und begleiten ihn schon sein ganzes Blues-Leben. Jetzt aber geht Philipp weit in die sechziger Jahre zurück, in eine Zeit, wo der Blues vom hippen und modernen Sound
des Soul verdrängt wurde. Eine Zeit, in der Philipp 1964 in Thun am Thunersee auf die Welt kam. «Johnny war 1962 Mitte zwanzig und hatte in und um Houston, Texas bereits eine solide Karriere aufgebaut », sagt Philipp Fankhauser, «da brach quasi über Nacht die Soulmusik über die Black Community herein und Künstler wie Solomon Burke, Ben E. King,
Otis Redding, Sam Cooke und viele mehr, waren die neuen Stars. Bluesmusiker waren plötzlich nicht mehr angesagt. Man wandte sich von deren Klagen und Jammern ab, wollte neue Musik: Fröhlich, tanzbar, mit positiven Vibes».
Glücklicherweise kam Johnny schon in frühester Jugend mit Sängern in Kontakt, die «soulful» sangen. Der viel zu früh verstorbene Crooner Johnny Ace zum Beispiel, aber auch Eddie «Guitar Slim» Jones und natürlich Sam Cooke. Johnny bewunderte sie. Ihre Spuren sind ganz deutlich schon auf Copelands frühesten Aufnahmen in den fünfziger Jahren zu
hören. Nun begann Johnny Copeland Soul Songs zu schreiben; kurze, intensive Perlen, ohne lange Intros und meist ohne lange Gitarrensoli. Höchstens zweieinhalb Minuten sollten sie dauern, so die Vorgabe der damaligen Radio-DJs. Sie sollten die Menschen fröhlich stimmen und zum Tanzen bewegen.
Aus der riesigen Menge Songs, die Johnny in der Zeit schrieb, habe ich dreizehn ausgewählt. Nicht alle sind grad nur fröhlich, aber das sind meine liebsten Songs.
Und das soulige Gefühl des Blues, oder das bluesige Gefühl des Soul ist auch in ihnen unschwer auszumachen!».
Das Montreux Jazz Festival am 16. Juli 1983 hat Philipp Fankhausers Leben für immer verändert «1983 war ich neunzehn Jahre alt und alles, was mich interessierte, war Bluesmusik und ihre originalen Pioniere. Sieben Jahre zuvor beschenkte mich meingrosser Bruder Christoph mit einer Platte des Pianisten und Sängers Sunnyland Slim. Für mich war schon nach den ersten Klängen klar, dass auch ich Bluessänger werden würde. Von da an wuchs meine Plattensammlung kontinuierlich: Muddy Waters, Elmore James, John Lee Hooker, B.B. King, Big Bill Broonzy, Lightnin’ Hopkins, Clarence «Gatemouth» Brown, um nur einige wenige zu nennen».
The Texas Twister
«Am 16. Juli 1983, vor fast 40 Jahren, war ich also schon ganze sieben Jahre Blues Fan und, in meiner eigenen Wahrnehmung, gewissermassen ein Experte.Doch nichts bereitete mich auf den Moment vor, an dem ein mir unbekannter Gitarrist und Sänger aus Texas mit seiner Band die Bühne des Montreux Jazz Festivals betrat. Ich hatte schon John Lee Hookergesehen am Vorabend, Luther Allison und Buddy Guy. Doch dann kam «The Texas Twister», Johnny Copeland aus Houston. Meine Bluesexpertise geriet gehörig ins Wanken und erweiterte sich auf einen Schlag um ein Vielfaches. Bislang war Blues für mich drei Akkorde, zwölf Takte, viele Gitarrensolos und obskure Texte aus vergangenen Tagen im Süden der USA. Nicht falsch verstehen: nach wie vor liebe ich diese Songs. Ich liebe Muddy Waters und Buddy Guy, Albert King und B.B. so fest wie damals, als sich sie das erste Mal hörte.
Johnny Copeland, Montreux Jazz Festival, 16 July 1983
Aber dieser Mann aus Houston war ganz anders. Er erzählte Geschichten aus seinem Leben. Über die Liebe und über die Frauen, die ihn verlassen haben auch, ja. Aber vor allem waren seine Geschichten gefüllt mit Zuversicht, Hoffnung, Selbstironie und jeder Menge positiver Energie. Es waren plötzlich vier, fünf oder gar sechs Akkorde in diesen Bluessongs, Minors und Majors durcheinandergemischt. Sein Gitarrenspiel war melodiös, anders als alle anderen und seine Songs spannend und mitreissend. Wie ein Boxer «attackierte» er seine schnellen Songs, sein Gesang eher ein raues Shouting, um im nächsten Moment eine Ballade mit unfassbarer Zärtlichkeit zu singen».
Die Lehr- und Wanderjahre
«Nach dem Konzert in Montreux 1983 wusste ich eigentlich, was ich zu tun hatte. Nur, dabei stand mir sehr vieles im Weg: meine Eltern drängten auf ein eher «normales Leben» für mich und Thun und die Schweiz waren ja nicht gerade Hochburgen des«richtigen» Blues. Überdies stand ich mir natürlich selbst im Weg. Ich war eher leidlich talentiert als Gitarrist und auch meine Stimme war damals eher auf der schwachen Seite. Mein Vorhaben, einst Bluesmusiker zu sein, war also nicht einfach grad so zu realisieren. Das habe ich mir auch eingestanden; ich war und bin mein strengster Kritiker. Es waren also eher zähe und frustrierende Jahre und dazu kam, dass ich mich nicht mit der erstbesten regionalen Blues Gruppe vergleichen wollte, sondern mit den Besten der Besten. Als «Experte» wusste ich schliesslich ganz genau, wie die echte Bluesmusik, gespielt von ihren Erfindern und Begründern, tönen musste. Ich erkor das wohl beste Live Blues-Album aller Zeiten zu meiner Referenz: B.B. King «Live at The Regal». Das half natürlich nicht, meine Frustrationen abzubauen. Im Gegenteil. Mir war sehr früh klar, dass ich das Niveau eines B.B. King und seine Authentizität nie würde erreichen können. In späteren Jahren half es mir aber auch, mich damit abzufinden und meinen eigenen Weg zu suchen. Das richtige Gefühl für diese Musik hatte ich in mir, da war ich mir stets sicher. Meine Schwermut und meine Traurigkeit verlangten nach Trost, den mir nur der Blues geben konnte. 1987 begann ich öffentlich aufzutreten, empfand aber weder mich noch meine damaligen Musiker als besonders hörenswert, im Gegenteil. Zum Frust kam Fremdschämen hinzu. Erst 1994, bei meinem 5. Album, empfand ich eine gewisse Zufriedenheit, wenn auch nur teilweise. Ich hatte Johnny Copeland im Ohr, seine Kraft und sein Sound. Es war eine Illusion, jemals auch nur in die Nähe von dem zu kommen, was ich fühlte und wollte. Ich wollte, aus heutiger Sicht natürlich komplett unrealistisch, so tönen wie die Originale: B.B. King, Albert Collins und eben Johnny Copeland. Es war aussichtslos und das Einsehen und Akzeptieren sehr schmerzhaft».
Johnny Copeland, Philipp Fankhauser, Volkshaus Zürich, 1993 Thank You for Everything, Johnny Copeland!
«Durch eine glückliche Fügung sollte ich im Jahr 1993 in der Schweiz ein paar Konzerte buchen, bei welchen Johnny Copeland in meiner Band als Gastmusiker dabei sein würde. Das war für mich die Gelegenheit, ihn näher kennen zu lernen und eine gewisse Nähe und Vertrauen zu ihm aufzubauen. So kam es, dass Johnny mich 1994 einlud, mit ihm und seiner Band ein paar Wochen durch die USA zu touren. Ich kann kaum in Worte fassen, was das mit mir gemacht hat: es haben sich mir komplett neue Perspektiven, ganz neue, erweiterte Sichtweisen und ein komplett neues Verständnis für die Bluesmusik und ihre Erfinder, ihre Pioniere, ermöglicht. Unsäglich wertvoll war diese Zeit und unbezahlbar! Aus wenigen Wochen wurden acht Jahre. Ich war dabei, als wir Johnny mit gerade mal sechzig Jahren 1997 beerdigen mussten. Mehrere Operationen am offenen Herzen hat er nicht überlebt. Nach seinem Tod habe ich mir ein paar von Johnnys Bühnen-Moves und Grooves «angeeignet», das gebe ich offen zu.
Doch den grössten Gewinn dieser acht Wanderjahre, realisierte ich erst nach meiner Rückkehr in die Schweiz im Jahr 2000. Ich wollte nicht mehr ein Original sein und nicht tönen wie eines. Ich fand es plötzlich cool, Emmentaler zu sein und liebte es, mit meinem Publikum Berndeutsch zu reden. Ich habe schon lange Frieden mit mir geschlossen. Ich bin wer ich bin und ich singe den Blues so wie ich es eben kann und tue. Ich teile die Bühne und das Studio mit fantastischen Musikern, die nicht die Originale kopieren wollen. Die zwar die Inspiration von ihnen holen, aber nichts nachspielen. Wir tönen, wie wir tönen. Und das ist gut so!»
Album grad aufgenommen, anstatt «nur» geprobt!
Wie schon bei vorangegangenen Alben, durften Philipp und sein Team, dank seiner freundschaftlichen Beziehung zum Direktor, im Februar dieses Jahres eine Woche im geschlossenen Hotel Giessbach in Brienz Logis beziehen. Ein wunderbarer Ort, um sich als Band zurückzuziehen und den täglichen Ablenkungen zu entfliehen.
Im «Salon Davinet» eine Woche geprobt und aufgenommen.
Keine drei Wochen vor Probebeginn, ruft Gitarrist und Produzent Marco Jencarelli bei Philipp an und schlägt vor, diese Proben grad in Studioqualität aufzunehmen. Als Inhaber der Soundfarm Studios, wo Fankhausers Platten seit 2006 entstehen, sei das für ihn verhältnismässig einfach aufzugleisen. Nach wenigen Minuten war man sich einig: wenn schon aufnehmen, dann grad richtig. So, dass man die Aufnahmen für das neue Album gebrauchen können wird.
«Ich liebe es, mit meinen Musikern zu arbeiten – live auf der Bühne oder live im Studio. Es ist nicht jedermanns Sache, einen gewissen Fatalismus mit mir zu teilen. Ohne eine Veränderung der Raumakustik vorzunehmen und auch ohne Abtrennungen, also eher wie an einem Konzert, haben wir unser Instrumentarium im Salon Davinet im Giessbach aufgestellt und nach zwei Tagen Proben, haben wir die 13 Songs zusammen eingespielt. Einen Take, manchmal zwei oder drei. Ein bisschen wie früher!»